Abdul Alhazred ist 78 und lebt in Chicago. Es ist ein Stadtviertel mit kleinen
Reihenhäusern. Sein ganzer Stolz ist der anschließende Garten, den
er jedoch nun schon seit vielen Monaten nicht mehr bewirtschaftet hat. 300m2
sind einfach zu viel. Seine Knochen schmerzen, sein Rheuma hat sich im letzten
Jahr deutlich verstärkt.
Immer wenn er aus dem kleinen Küchenfenster hinunter auf den verwilderten
Garten schaut, wird er traurig. Standen hier doch noch im letzten Jahr bunte
Blumen und Kräuter, die ihn an Zuhause erinnerten. Jetzt stechen sie nur
noch vereinzelt zwischen dem wuchernden Unkraut heraus. Brennnesseln und Girsch
haben die Oberhand gewonnen. Riesiger Löwenzahn hat sich breit gemacht.
Ihm fehlt die Kraft den Garten umzugraben und neue Pflanzen zu setzen.
An einem sonnigen Sonntagmorgen kommt ihn eine Idee. Abdul telefoniert mit seinem
Sohn Nihal in Beirut.
"Vater, Du?"
"Ja mein Junge, ich bin´s. Weißt du, du wolltest mich und Mutter
doch demnächst besuchen kommen. Ehrlich gesagt, ich könnte dich gut
gebrauchen."
"Was ist los Vater, geht es dir schlecht, oder Mutter?"
"Nein Nihal, nicht wirklich, es ist nur der Garten. Er ist so heruntergekommen,
dass ich ihn nicht mehr sehen kann. Er müsste einmal komplett umgegraben
werden, damit ich was neues anpflanzen kann."
"Vater, es tut mir leid, aber in den nächsten Monaten kann ich nicht
zu euch kommen. Ich habe zuviel zutun in Beirut." Eine kleine Pause entsteht
im Gespräch, dann sagt Nihal: "Aber Vater, bitte! Nicht den Garten
umgraben! Auf keinen Fall! Denke doch an die Sachen."
Abdul ist verwundert und sagt: "Was für Sachen Nihal?"
"Na du weißt schon, die Sachen die ich damals mitgebracht und vergraben
habe! Ich melde mich in den nächsten Tagen noch mal." Nihal legt auf
und Abdul wundert sich über das abrupte Ende des Gesprächs. Nihal
ist ein aufgeweckter junger Mann und Abdul weiß, dass sein Sohn immer
viel zutun hat.
Am Montagmorgen, es ist kaum 6.°° Uhr, Abdul und seine Frau liegen noch
im Bett, hört er Motorengeräusche von Autos, die mit quietschenden
Reifen vor seinem Haus bremsen. Dann ein Gewirr aus Stimmen. Abdul steht auf
und schaut aus dem Küchenfenster. Ein Heer von uniformierten Personen ergießt
sich in das kleine Grundstück. Einige sind bewaffnet und haben das Haus
umstellt, andere jedoch halten Spaten und Schaufeln in der Hand. Ein Bagger
wird von der Straßenseite herangefahren und postiert sich vor dem Gartenzaun.
Sein langer Greifarm beginnt sofort in den Gartenboden einzutauchen und die
Erde in großen Stücken herauszuheben. Dann lässt er sie langsam
zu Boden rieseln. Stück für Stück, Meter für Meter geht
er systematisch durch den Garten. Und jede kleine Ecke, in die er nicht gelangen
kann, wird von den Uniformierten mit der Hand umgegraben.
Es klingelt an der Tür, Abdul öffnet und ein im dunklen Anzug gekleideter
Mann zeigt ihm seine Polizeimarke vom F.B.I., er sagt: "Sie sind Abdul
Alhazred?"
Abdul nickt zustimmend. Der Officer fragt sofort: "Wo sind die Sachen?"
Abdul wundert sich und fragt zurück: "Welche Sachen?"
Das Telefon klingelt. Abdul entschuldigt sich und geht ran. Er hört Nihals
Stimme, die fragt: "Na Vater, ist der Garten schon umgegraben?"