TÜV

 

Ein junger Mann, im menschlichen Gewand, betritt die Bildfläche. Es ist 1969, er überquert den großen Startplatz, der Apollo 11 Rakete in Houston Texas und erreicht die Abschussrampe unbemerkt um 2.17 Uhr in einer klaren Nacht.
Am Fuße der Rampe schüttelt er fassungslos den Kopf, er blickt nach oben in das bizarre Gebäude aus Stahl. Er nimmt die Treppe, hin und wieder berührt er die lose verlegten Kabel, befingert die Außenhaut des Flugkörpers, welcher Menschen auf den Mond bringen soll. Oben an der Kanzel, in die sich 3 Menschen hineinzwängen werden, angekommen, muss er lachen. Sein Lachen ist fröhlich, ein wenig spöttisch. Er klettert hinein in die Luke, sieht sich um und holt ein kleines Gerät aus der Tasche. Immer noch ein Grinsen auf den Lippen, betastet er die Armaturen, zwängt sich in einen unbequemen Sitz. Das kleine Gerät piepst lustig vor sich hin.
Nachdenklich schüttelt er den Kopf, steckt sein Gerät wieder weg und verlässt die Bildfläche.Wir sehen ihn einige Tage später wieder, in Baikonur, wo er sich am Tage unter die russischen Menschen mischt. Hier ist das Trainingslager der Kosmonauten, die tagtäglich in metallenen Zentrifugen herumgewirbelt werden, in Tanks tauchen, in Behälter pusten, sich an Gummiseilen befestigt in die Tiefe stürzen. An der Rampe steht die Soyuz 5 Rakete, welche sowjetische Kosmonauten in den Weltraum bringen soll.Er bleibt im Hintergrund und beobachtet alle...
Er weiß, das Kosmodrom Baikonur ist neben Cape Canaveral der USA, der berühmteste Startplatz der Welt. Er weiß genau Bescheid. Hier wurde der erste künstliche Satellit der Menschen, Sputnik 1, gestartet. Baikonur dient im Augenblick hauptsächlich als Startplatz für sämtliche bemannten Missionen Russlands.
Unauffällig belauscht er ein Gespräch in den Aufenthaltsräumen. Ein Mann namens Igor sagt: “In so einer Kapsel sitzt du am Sonntag mindestens 4 Stunden lang. Eingepackt in einen Sokol-Raumanzug und festgeschnallt.“
Der andere sagt: „Klar, mach ich doch. Ist doch nur Training.“
Der Beobachter lächelt in sich hinein und verschwindet ungesehen.
Nachts kommt er wieder und geht durch die Gänge des Hauptgebäudes der russischen Station. Etliche Bilder hängen an der Wand von verschiedenen Besatzungen der russischen Weltraumgeschichte. Er erkennt die Pioniere: Gagarin, Leonov, Koroljow, um nur einige zu nennen. "Verdammt", denkt er, "...sie haben Mut". Die Zeit drängt, schnell noch zur Zentrifuge und ans Tieftauchbecken. Die Zentrifuge ist unglaublich groß. Er steht in einem Raum, der mindestens 50 oder 60 Meter breit ist und 20 Meter hoch. Sie ist unvorstellbar groß und ihm wird irgendwie flau im Magen, als er sich vorstellt, mit diesem Stahlkoloss auf eine Reise zu gehen und zu fühlen was es heißt, mit 4, 6 oder 9G angepresst zu werden!
In den letzten Nächten war er öfters hier, genauso wie in Cape Canaveral wollte er alles wissen. Gestern hatte er den Sokol (Raumanzug) anprobiert und das Ausziehen des Sokols erwies sich als martialische Tortur. Das Helmteil muss über den Kopf gezogen werden, und das ist bei weitem nicht einfach! Man muss den Hals, wie eine Schildkröte in Richtung Schultern drücken und versuchen, den Rücken ganz gerade durchzudrücken. Zu gleicher Zeit drückt man mit beiden Händen gegen den Metallring, wo der Helm in einem Stück an den Anzug angepasst ist. Nach 5 Minuten flutschte der Aluminium-Ring über seinen Schädel und ein erleichtertes Aufatmen erfolgte.
Nachdem er sich dann des Sokols entledigt hatte, versucht er ihn wieder ordentlich zusammenzulegen. Dann wurde der Overall angezogen. Er kommt sich vor, wie ein kleines Menschenkind, dessen Windeln gewechselt werden.
Nun folgt der Kälteschutzanzug. Auch das Anziehen wird zur Tortur. Er muss sich recken und strecken. Dies ist für einen Mann in seiner Statur nicht einfach! Nachdem dies geschafft ist, der Nässeschutz. Auch er wird nur bis an die Hüften hochgezogen. Dann folgt der Sweater und eine Wollmütze. Dann die nächste Hürde: Der Wasseranzug „Forel", ein aus Gummi bestehender Ganzkörperanzug. Er machte eine kurze Pause, um abzukühlen. Er zieht den Forel über seine Beine bis zur Hüfte, danach die anderen Sachen über die Schultern.
Die verschiedenen Anzüge zieht er sich über den Kopf, die Hitze wird unerträglich.
Das Survival-Pack fehlt noch und wird an seinem Körper angeleint, dann Kapuze über den Kopf und festziehen. Er kommt sich vor wie ein Pinguin, auch wenn der Anzug „Forel" heißt. Aber wenn ich so richtig darüber nachdenke, ist mir der Name des Anzugs auch irgendwie klar: Man kann sich im Wasser mit dem Anzug wie eine Forelle bewegen!
Die Bewegung mit den verschiedenen Anzügen ist jedoch nicht einfach. 4 Schichten von verschiedenen Anzügen sind unter dem Forel, Bewegung ist fast unmöglich. Er bleibt einige Sekunden in stehen und wünscht sich helfende Hände, die an ihm zerren, um die vorher angelegten Kleidungsstücke vom Körper zu bekommen.Endlich geschafft, er ist wieder frei und geht weiter durch die dunklen Gänge und anschließenden Räume. Niemand ist hier. Geschlossene Türen öffnet er wie mit Geisterhand. Das Wasserbassin ist nicht so groß wie das in Houston im Johnson Space Center der NASA, aber irgendwie imposanter. Die Arbeitsbühne ist komplett versenkbar, im Moment steht das FRGB-Versorgungsmodul darauf mit der Luftschleuse.
Immer wieder benutzt er sein kleines Gerät, was so lustige Piepstöne erzeugt und scannt damit die Gerätschaften.
Dann betritt er noch etliche Büros, kramt in Schubläden, startet Computer.
Langsam macht sich die Müdigkeit des Tages bemerkbar, und er geht in Richtung Star-City Hotel, aber einen anderen Weg, um einen See herum. Irgendwie will ihm nicht in den Kopf, dass sie diesen Ehrgeiz besitzen.
Es ist knapp nach halb vier am frühen Morgen und er sitzt an meinem spartanischen Tisch. Er spricht in das kleine Gerät in einer fremden Sprache, er sagt: "Ich bin fertig, ihr könnt mich hochholen." Eine Antwort kommt prompt: "Und, was sagst du?" Er lächelt und antwortet: "Sie sind verrückt, mit diesem Schrott aufzubrechen, aber es könnte klappen." Die Stimme aus dem Gerät fragt: "Und die anderen, von der anderen Seite?" Er sagt: "Die sind auch nicht besser, aber es ist alles ungefährlich, sie haben keine atomaren Antriebe. Wir können sie fliegen lassen."
Aus dem Gerät hört man noch: "Ok, wir sind bereit..." Der junge Mann verändert seine Farbe, leicht bläulich schimmert seine Haut. Dann verformt er sich, zu einem insektenhaften Wesen mit großen Augen. Aus dem kleinen Gerät entweicht ein kräftiger Lichtstrahl und saugt ihn auf. Er ist weg, keine Spur mehr.An Bord seines Raumschiffes angekommen, steht die gesamte Besatzung um ihn herum. Er wird fotografiert, und viele freundliche Gesichter blicken ihn erwartungsvoll an. Sie scheinen aus dem Häuschen zu sein und wollen seinen Bericht hören. Nachdem er sich in eine Bar gesetzt hat und erzählt, können sie es nicht fassen, dass diese Humanoiden in den Weltraum aufbrechen wollen.Er sitzt er an der Bar und schlürft einen doppelten Sirius-Centauri-Cocktail und erzählt mit lächelnder Miene, wie die Abnahme der irdischen Weltraumstation gelaufen ist, dann sagt er abschließend: "Sie sind wirklich keine Bedrohung, nur für sich selbst, bei diesem Schrott..." Er lacht herzhaft und seine Zuhörer kichern mit ihm.